Forschungsnetzwerk zu Zeichnungen in Hell und Dunkel auf farbig grundierten Papieren im oberdeutschen Raum um 1500

Prof. Dr. Daniela Bohde, DFG (BO 1860/5-1)

Um 1500 erkunden Künstler im oberdeutschen Raum die Möglichkeiten des graphischen Bildes auf verblüffende Weise, indem sie dunkellinige Zeichnungen auf farbig präparierten Papieren anlegen und mit einem weißen Farbmittel akzentuieren. Das Netzwerk, an dem Kunsthistoriker*innen, Kurator*innen und Graphikrestaurator*innen respektive Kunsttechnolog*innen beteiligt sind, beschäftigt sich aus verschiedenen Perspektiven mit dieser speziellen Zeichentechnik, die mit Blick auf das 16. Jahrhundert im oberdeutschen Raum noch nicht umfassend erforscht wurde.

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© Kunstmuseum Basel

© Albertina, Wien

© Städel Museum, Frankfurt

Das Erscheinungsbild der schwarz- und weißlinigen Zeichnungen auf farbigen Gründen ist ungemein vielfältig. Hans Baldung Griens plastische Figuren laden die Betrachtenden ein, sie mit ihren Blicken abzutasten, Albrecht Altdorfers eigensinniges Linienspiel scheint vom Bildthema abzulenken, und Hans Leu erprobt das neuartige Sujet der Landschaft im monochromen Bildmedium. Albrecht Dürer gelingen Helldunkelzeichnungen auf höchstem technischen Niveau, die weder für die Begehrlichkeiten von Sammlern noch als Visierungen für Auftraggeber entstanden, sondern eher als ricordi im Werkstattzusammenhang gedient haben können. Bernhard Strigel höht seine Zeichnungen nicht nur mit weißen, sondern auch mit farbigen Linien, und Mair von Landshut experimentiert mit Kupferstichen auf grundierten Blättern, die sich auf den ersten Blick kaum von den gezeichneten Bildern unterscheiden lassen.

© Irene Brückle und Thomas Klinke

© Irene Brückle und Thomas Klinke

Anders als in Italien, wo die Technik seit dem 14. Jahrhundert der Vorbereitung des rilievo eines Gemäldes diente, übernahmen die gehöhten Zeichnungen auf farbigen Gründen im deutschsprachigen Raum verschiedene Funktionen und wurden nicht zuletzt als selbstständige Zeichnungen angefertigt, reproduziert und rezipiert. Ihre besondere Faszination entfalten sie einerseits durch die eigenwillige Ästhetik der einfarbigen Gründe, von denen sich die Kalligraphie der hellen und dunklen Linien wirkungsvoll abhebt, andererseits im Spannungsfeld anderer malerischer und graphischer Techniken. Zu untersuchen ist hierbei die technische und künstlerische Genese der Zeichnungen, an der sich die verschiedenen Funktionen eines Helldunkeleffektes von einer stark kontrastierenden bis zu einer tonal und damit malerisch verschmelzenden Darstellung bewegt. Dabei beleuchtet die Gruppe auch das technische und inhaltliche Verhältnis der Zeichnungen auf farbigem Grund zu kolorierten Kupferstichen, Aquarellen und Helldunkelholzschnitten. Aufgrund ihrer Monochromie entfernen sich die Zeichnungen von allen zeitgenössischen Forderungen nach Mimesis – der Basler Sammler Basilius Amerbach sprach gar davon, sie seien »uf falsch papir erhecht« und betonte mit dieser Formulierung explizit ihren artifiziellen Charakter.

Das Netzwerk kann auf die intensive Forschung der letzten Jahre zur Monochromie, zu Helldunkelholzschnitten, Helldunkelzeichnungen bzw. Farbgrundzeichnungen sowie zur selbständigen Zeichnung aufbauen. In Workshops setzt sich die Gruppe in verschiedenen europäischen Graphiksammlungen gezielt mit einzelnen Blättern auseinander und befragt sie von den dargestellten Motiven über eine mögliche Funktion bis hin zu den verwendeten Materialien und Techniken, um ihre spezifischen Eigenarten und die damit verbundenen visuellen Strategien der Künstler zu verstehen. Darüber hinaus verfolgt sie übergreifende Fragestellungen, die ein umfassenderes Verständnis des Bildtypus im 16. Jahrhundert erwarten lassen. Im Anschluss an das Projekt werden die Forschungsergebnisse in einer Ausstellung und einer Publikation veröffentlicht.

© Irene Brückle und Thomas Klinke

© Irene Brückle und Thomas Klinke

Mitglieder des Netzwerks

Prof. Dr. Daniela Bohde, Universität Stuttgart (Leitung)
Dr. Anna Christina Schütz, Universität Stuttgart (Koordination)
Prof. Dr. Irene Brückle, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
Dr. Stephanie Buck, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Prof. Dr. Magdalena Bushart, Technische Universität Berlin
Prof. Dr. Nils Büttner, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
Dr. Maike Christadler, Universität Basel
Dipl.-Rest. Thomas Klinke, Wallraf-Richartz-Museum Köln
Dr. Christof Metzger, Albertina Wien
Ruth Schmutzler, Städel Museum Frankfurt
Dr. Martin Sonnabend, Städel Museum Frankfurt
Dr. Claudia Steinhardt-Hirsch, Zentralinstitut für Kunstgeschichte München

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© Kunstmuseum Basel

© Trustees of the British Museum

© Trustees of the British Museum

Aktivitäten

  1. März 2020: Workshop am Institut für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart
  2. Februar 2019: Workshop im Kupferstichkabinett des Kunstmuseum Basel mit Dr. Ariane Mensger
  3. September 2018: Workshop im British Museum (London) mit Dr. Giulia Bartrum und Dr. Olenka Horbatsch
  4. März 2018: Workshop in der Albertina (Wien) mit Dr. Christof Metzger und Mag. Elisabeth Thobois
  5. Oktober 2017: Workshop im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin mit Dr. Michael Roth und Dipl.-Rest. Georg Dietz
  6. März 2017: Workshop in der Graphischen Sammlung des Städelmuseums Frankfurt mit Dr. Martin Sonnabend, Ruth Schmutzler und Dr. Britta Dümpelmann (Freie Universität Berlin)
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Kontakt

Prof. Dr. Daniela Bohde
Universität Stuttgart
Institut für Kunstgeschichte
Keplerstraße 17
70174 Stuttgart
Deutschland
Telefon 0049 711.685 – 83599
E-Mail
Homepage

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Fußnoten

  1. Beyond Disegno? The Emergence of Independent Drawings in Germany and Italy in the 15th and 16th Century, Tagung am Kunsthistorischen Institut in Florenz, 3.-5. März 2016, organisiert von Daniela Bohde und Alessandro Nova, ein Tagungsband ist in Vorbereitung und erscheint 2018; Die Farbe Grau, hg. v. Magdalena Bushart und Gregor Wedekind, Berlin/Boston 2016; Iris Brahms: Zwischen Licht und Schatten. Zur Tradition der Farbgrundzeichnung bis Albrecht Dürer, Paderborn 2016; In Farbe! Clair-obscur-Holzschnitte der Renaissance. Meisterwerke aus der Sammlung Georg Baselitz und der Albertina in Wien (= Ausstellungskatalog Albertina Wien 2013/14), hg. v. Achim Gnann, München 2013; Katharina Christa Schüppel mit Irene Brückle: "Zur Ästhetik des Monochromen um 1400. Zwei Zeichnungen Lorenzo Monacos aus der Sammlung des Kupferstichkabinetts", in: Fantasie und Handwerk. Cennino Cennini und die Tradition der toskanischen Malerei von Giotto bis Lorenzo Monaco (= Ausstellungskatalog Staatliche Museen zu Berlin 2008), hg. v. Stefan Weppelmann und Wolf-Dietrich Löhr, München 2008, S. 200-223; Jana Graul: "'Il principio e la porta del colorire' – zur Rolle farbiger Fonds in der Florentiner Zeichnung des 14. und 15. Jahrhunderts", in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, 52 (2008), 2/3, S. 6-22. Nach oben